Thomas Christian erhielt seinen ersten Violinunterricht im Alter von sieben Jahren; bereits ein Jahr später trat er zum ersten Mal öffentlich auf. Zu seinen Lehrern darf der heutige Star-Geiger u. a. den New Yorker Violinpädagogen Theodore Pashkus sowie Jascha Heifetz nennen. Mit einem Werdegang in dieser Größenordnung liegt es auf der Hand, dass Thomas Christian fast alle Bühnen dieser Welt bespielt hat. Am Mittwoch, 17. August ist er beim Ensemble-Konzert im Marmorsaal des Stifts St. Florian live zu hören. Diese Gelegenheit habe ich mir natürlich nicht entgehen lassen und ihn um ein kurzes Interview gebeten.

Matthias Giesen arrangierte Bruckner’s 6. Symphonie für das Ensemble-Konzert am 17. August neu. Welche Bedeutung kommt dem für Sie als Violinist persönlich zu?

Christian: Die Idee, große Symphonien für Kammerensemble zu bearbeiten, stammt aus dem von Arnold Schönberg 1918 in Wien gegründeten „Verein für musikalische Privataufführungen“.
Sinn  und Zweck war es, jene großen Symphonien, die von der Besetzung her größer waren als alles was zuvor geschrieben wurde, einem breiteren Publikum bekanntzumachen. Bei den Konzerten dieses Vereines waren Kritiker ausgeschlossen, Beifalls- und Missfallskundgebungen unerwünscht und auf Bitte der Zuhörer konnten Sätze wiederholt werden. Den Verein gab es nur von 1918-1921, unter ständigem Geldmangel leidend, bearbeiteten Schönberg selbst, Anton von Webern und Alban Berg für ein Konzert im Rahmen des Vereins Walzer des von den Dreien hochgeschätzten Johann Strauss für Streichquartett, Klavier und Harmonium. Im Anschluß daran wurden die Partituren versteigert, was zu einem großem Erfolg führte und der Verein dadurch wieder eine Zeitlang weiter existierte. Als die beiden größten Werke jedoch galten die Bearbeitung der 7. Symphonie von Anton Bruckner, die aber während der Existenz des Vereins nie aufgeführt wurde und die 4. Symphonie von Gustav Mahler.
Die Bearbeitung der Mahler Symphonie stammt vom Freund und Schüler Gustav Mahlers, Erwin Stein.
Dieser galt als Meister des „Reduzierens“ uns so witzelte man innerhalb des Vereins mit dem Satz „Herr Stein arbeitet gerade an der Reduktion einer Solosonate von J. S. Bach“.

Matthias Giesen ist, nachdem ich das Werk nun erarbeitet habe und die arrangierte Partitur studiert habe, ein ähnliches Meisterstück gelungen und ich bin sehr gespannt auf das erste Hörerlebnis.

Das Arrangement konzentriert sich wesentlich auf den Klang und rückt Solisten wie Sie einer sind, ins Zentrum des Werks. Wie groß ist demnach diese Herausforderung?

Christian: Ich glaube nicht, daß es die Absicht von Herrn Giesen war, meinen Part der ersten Violine in den Mittelpunkt zu rücken. Ich bereise zwar seit Jahrzehnten die Welt als Solist, wenn ich mit Orchestern Violinkonzerte aufführe oder Violin-Rezitals gebe, jedoch bin ich seit fast genauso langer Zeit leidenschaftlicher Kammermusiker und hierbei „Primus inter pares“, wobei niemals der Solist, sondern immer nur die Musik im Mittelpunkt steht und zu stehen hat. Daher ist die Herausforderung des Studiums und die darauffolgende Aufführung für alle Mitwirkenden die gleiche Herausforderung.
Zu einem, für alle – Ausführende und Zuhörer – erfüllenden Konzerterlebnis kann es also nur dann kommen, wenn alle Beteiligten mit derselben Einstellung ans Werk gehen. Hier muß gearbeitet und geschuftet werden, bis man diesen riesigen Berg halbwegs erklommen hat.

Wie erachten Sie, aus Solisten-Sicht, diese neue Perspektive, die dem Arrangement zugeschrieben wird?

Christian: Aus Sicht meines Solistentums wünsche ich mir, dieses unfassbar große Werk Anton Bruckners und die wunderbare Bearbeitung von Matthias Giesen, die eine fabelhafte Erweiterung meines Repertoirs darstellt, noch oft spielen zu dürfen.

Die sechste Symphonie besteht aus vier Sätzen. Welcher davon ist Ihr Favorit und warum?

Christian: Dazu möchte ich Ihnen mit einem kleinen Augenzwinkern antworten: „Die ersten vier“.

Als Stargeiger sind Sie umfassend, detailliert und seit jeher mit sämtlichen Komponisten vertraut. Welches seiner Werke kommt Ihnen als aller erstes in den Sinn?

Christian: Als ich als sehr Jugendlicher, damals an der Linzer Musikschule studierend, im Collegium Musicum, das aus den Lehrenden bestand, jede Woche mittwochs über ein ganzers Jahr hindurch, mitspielen durfte und wir das Streichquintett von Anton Bruckner, chorisch besetzt, einstudiert haben (zu einer Aufführung kam es jedoch nie), habe ich meine ganz spezielle Neigung zu Bruckner und ganz besonders zu diesem Werk entwickelt. Später dann, nachdem sich das Wiener Streichquintett formiert hat, habe ich dieses Werk unzählige Male weltweit gespielt und auch auf CD eingespielt.
Daraus resultierend, wünsche ich mir an meinem Grab das Adagio aus Bruckner’s Streichquintett, aber nur unter einer Bedingung: Von guten Musikern gespielt!

 

Für alle, die das Ensemble-Konzert am 17.08.2016 nicht mehr erwarten können, hier ein Vorgeschmack auf Thomas Christian:

Anton Bruckner, Symphonie No 7, 1.Satz Allegro moderato, Thomas Christian Ensemble
Bild- und Audio-Quelle: www.thomas-christian.at