Damit die Brucknertage zu einem ganz persönlichen Erlebnis werden, muss man nun wirklich kein Kenner nationaler oder internationaler Klassik sein. Wirft man einen Blick in das Programm des Eröffnungskonzertes am Sonntag, 14. August 2016, ist schnell klar, wie breit der Bogen gespannt ist.

… dann werfen wir mal einen Blick ins Programm:

 

Los geht’s

mit dem wohl renommiertesten Bläserensemble Englands: Dem European Brass Collective. Das Collektive setzt sich aus elf Bläsern und Schlagwerk zusammen und ihre Mitglieder stammen aus den international renomiertesten Formationen. Auch Österreich ist darin durch Musiker des Altomonte Orchesters St. Florian vertreten. Und was könnte zur Eröffnung wohl passender sein als eine Fanfare? – Richtig! Eine Fanfare! In diesem Fall jedoch nicht irgendeine, sondern dem Anlass gewidmet: Der 44-jährige Solo-Hornist des Royal Liverpool Philharmonic Orchestras Timothy Jackson zitierte das Hauptthema aus Bruckners VI. Symphonie in seiner neu komponierten Fanfare. – Man darf also schon auf den ersten Programmpunkt überaus gespannt sein!


Auf die Fanfare folgen drei Motetten (= mehrstimmige Vokalmusik) von Anton Bruckner. Das Besondere daran: Die Blechbläser, die durch „Virga Jesse“, „Locus Iste“ und „Ave Maria“ die gesamte Einfühlsamkeit ihrer Instrumente zum Ausdruck bringen, öffnen eine neue Klangwelt, die manch einer vielleicht noch nicht entdeckt hat. Das Arrangement der dreien stammt vom englischen Posaunisten Paul Frost.


Der dritte Programmpunkt widmet sich einer Suite aus dem Jahre 1926 vom Engländer Peter Warlock. Diese Suite geht allerdings bereits auf das Jahr 1588 und auf den französischen Priester und Renaissance-Choreografen Arbeau zurück. Sie wurde Warlock’s populärstes Werk!


Vor der Pause werden die BesucherInnen noch auf eine Klangreise nach Italien entführt: Giovanni Gabrieli’s „Antiphon“ versteht sich als akustischer und multidimensionaler Wechselgang, bei dem die italienische Raum-Akustik, wie vor 400 Jahren, im Zentrum des Geschehens steht. Kurz gesagt: „Renaissance-Surround“.


Elfengleich geht es nach der Pause mit dem letzten Werk des Franzosen Paul Dukas weiter: „La Péri“ heißt die Eröffnungsfanfare aus der gleichnamigen Ballettsuite. Von einem persischen Mythos inspiriert geht es dabei um eine Elfe (=Peri), welche erst nach langem und vergeblichem Versuchen und etlichen Opfern durch Erkenntnis ihre Unschuld und damit das ersehnte Paradies erreicht.


Wenn jemand seine engsten Freunde musikalisch beschreibt, die einzelnen Charaktere klanglich portraitiert, daraus einen Welthit macht und das ganze ein „Rätsel“ nennt, kann nur von einem die Rede sein: Edward Elgar. Seine „Enigma“-Variation (Anm.: Enigma = Rätsel) „Nimrod“, ein Adagio, ist wohl die berühmteste Variation, die er seinem Freund August Jaeger (Anm.: Nimrod steht symbolisch für Jäger) gewidmet hat. „Nimrod“ handelt von einem Dialog zwischen Elgar und Jaeger über die Liebe zu Beethovens‘ langsamen Sätzen in seinen Klaviersonaten. Es ist also kein Zufall oder gar Einbildung, wenn sich jemand an den langsamen Satz aus „Sonate Pathétique“ von Beethoven erinnert fühlt. „Nimrod“ steht mittlerweile aber nicht mehr nur für „Jäger“, sondern auch für Würde und emotionale Erhabenheit – vor allem in England, wo es oft für feierliche Anlässe wie beispielsweise den jährlichen „Veterans Day“ oft gespielt wird.


Beim siebten Programmpunkt bleiben wir gewissermaßen beim Militär: Der Marsch „Earl of Oxford“ von Wiliam Byrd handelt vom Schriftsteller und Aristokraten Edward de Vere, der als der wahre Schöpfer der Shakespeare-Werke gilt, doch dem, aufgrund seines aristrokratischen Daseins, jegliches künstlerisches Schaffen verwehrt war. Bis heute ist unklar, ob „Shakespeare“ sein Pseudonym war oder nicht.


Ähnlich spannend wie die literaturwissenschaftliche Debatte über Shakespear vs. de Veren gestaltet sich das nächste Stück vom zeitgenössischen Komponisten James MacMillan. Er setzte sich bei dem Werk „Exsultet“ mit der Liturgie des Osterlobes auseinander und schuf eine klangsymbolische Dramaturgie für Blechbläser. Das besondere dabei: Er wandte das Stilmittel der „Aleatorik“ an, was bedeutet: Die Tonhöhen der Musiker sind im Stück zwar festgelegt, nicht aber die Tondauer! Die Einzigartigkeit ist damit vorprogrammiert!


Bevor sich das Programm mit dem letzten Stück zu Ende neigt, widmet es sich noch dem „Meister aller Meister“ – so Anton Bruckner’s verehrungsvolle Anrede für Richard Wagner. Bei „Elsas Prozession zum Münster“ aus „Lohengrin“ handelt es sich um die wohl dramatischste Schlüsselstelle, die vor allem die Musik durch wirksame Effekte in den Vordergrund stellt.


Auch Filmkomponisten schütteln ihre Werke nicht einfach so aus den Ärmeln, sondern verfügen über fundierte Kenntnisse der europäischen Musikgeschichte, der auch Anton Bruckner zweifelsfrei angehört. Seine musikalische Aufhebung von Raum und Zeit, die Weite seiner atmoshpährischen Harmonien und das schier unsagbar große Klangspektrum seiner Werke begannen schon im 19. Jahrhundert und inspierieren seither Musikschaffende aller Genres. So auch Jerrald „Jerry“ King Goldsmith, dem Komponisten und Schöpfer des „Star Trek“-Sounds, der den Abschluss des Eröffnungskonzertes bildet.

©Klaus Laczika