Zu Beginn dieses dankbaren Rückblickes dürfen die Brucknertage Herrn Prof. Clemens Hellsberg, den langjährigen Vorstand der Wiener Philharmoniker aus seinen Memoiren in dem Kapitel „Mondgestein. Anton Bruckner  zitieren:

„Es gibt sie, selten aber doch: Visionen, die bereits im Moment ihrer Realisierung so selbstverständlich erscheinen,  dass sie umgehend als geistiger „Allgemeinbesitz“ empfunden werden. Nicht zuletzt unter dem Einfluss des geistigen Mentors Sergiu Celibidache, seinerseits ein Monolith im internationalen Musikleben (oder, um es im Sinne des nonkonformistischen Maestros zu sagen: im heutigen Musikgetriebe) verfestigte sich in einer Gruppe gleichgesinnter St. Florianer Musiker die Vision eines Musikfestivals, das jährlich im Augustiner Chorherrenstift St. Florian, Anton Bruckners geistiger Heimat und letzter Ruhestätte veranstaltet werden sollte. Die Umsetzung dieses Traumes von einer einzigartigen Einheit von Ort, Komponist und Werk erfolgte 1997 durch das Festival „St. Florianer Brucknertage“, als dessen Gründer Klaus Laczika bis heute und seit 2004 gemeinsam mit Matthias Giesen als musikalischer Leiter fungiert.

Ich habe Bruckners Symphonien mit vielen der bedeutendsten Dirigenten in vielen der besten Konzertsäle der Welt gespielt; aber die Spiritualität im Werk des oberösterreichischen Meisters kommt nirgendwo in solcher Transzendenz zum Ausdruck wie im 1071 gegründeten und ab 1686 von Carlo Antonio Carlone und Jacob Prandtauer zu vollendeter Schönheit ausgebautem Stift St. Florian.   Ich durfte in  diesem Raum dreimal Bruckners „Achte“ spielen und es war faszinierend, dieses Werk nicht nur unter ganz anderen akustischen Bedingungen, sondern an seinem eigentlichem „Bestimmungsort“ zu erleben, welcher der thematischen und konzeptionellen Weiträumigkeit und überwältigenden Großzügigkeit Bruckner`scher Symphonien adäquat ist. Diese bleibenden Eindrücke erfuhren noch eine Steigerung: Seit einigen Jahren habe ich das Privileg, symphonische Aufführungen im Rahmen der „St. Florianer Brucknertage“ auf der Empore der Basilika hören zu können, wodurch sich das Raumerlebnis mit dem Bewusstsein verbindet, unmittelbar vor der berühmten Orgel zu sitzen, an der Anton Bruckner unzählige Stunden vollbrachte – zweifellos eine ideale Möglichkeit, dem Komponisten näherzukommen, der durch den extremen Kontrast zwischen persönlichem Erscheinungsbild  und einer sämtliche Zeitgenossen (mit Ausnahme Wagners) überragenden, an die Zweite Wiener Schule gemahnenden Kühnheit  seines Werkes ein singuläres Phänomen der Musikgeschichte bleibt.

Bruckner näherkommen: “Unsere Vision war und ist es, das intensive Erleben dieser Musik, die sich nicht jedem leicht erschließt,  zu ermöglichen und Nachwuchstalente zu fördern.“ definiert das seit 20 Jahren ehrenamtliche tätige Team die Ziele des Festivals , das längst enorme Resonanz bei Publikum, Presse und Sponsoren findet. „Wir möchten unsere Besucherinnen und Besucher zu einer aktiven Auseinandersetzung mit den Schaffen Bruckners ermutigen und zudem, zum Beispiel mit Jazzversionen, eine Brücke zur modernen Musik schlagen. Diese Auseinandersetzung erreichen wir  nicht nur durch hochkarätige Konzerte, sondern auch durch Symposien und Vorträge. Wie Bruckner selbst zeitlebens bestrebt war, junge Menschen in ihrem Erleben von Musik, zu unterstützen, ist die Förderung von Nachwuchstalenten auch hier ein weiteres wichtiges Standbein.“ Dass dies ebenfalls gelungen ist, beweisen die von Rémy Ballot geleiteten Aufführungen des Oberösterreichischen Jugensdsinfonieorchesters Oberösterreich und des 1996 in St. Florian gegründeten Altomonte-Orchesters ebenso wie deren mittlerweile mehrfach preisgekrönte Live-Mitschnitte.“ (soweit das Zitat Zitat von Prof. Hellsberg)

Wir haben 1997 demütig begonnen: Mit einem „Bruckner-Erlebnis-Nachmittag“, also mit Bruckners Lieblingsgericht „G`sechltes mit Kraut und Knödeln“ im Stiftskeller, mit dem seither jährlich rituellen Einführungsvortrag in die Symphonie  und mit dem Konzert in der Basilika. Von 1997 bis 2007 aufsehenerregend, revolutionär und somit kontroversiell attraktiv vom European Philharmonic Orchestra unter Peter Jan Marthé  gestaltet, in den Anfängen bis zur späteren „Brucknertage-Vereinsgründung 2006  logistisch souverän vom Tourismusverband St. Florian unter Fr. Mag. Pichler gemanagt.   Sehr bald enstand das bis heute prägende Konzept, die mittlerweile eine ganze Woche umfassenden Konzerte thematisch um ein jährliches Zentralwerk zu gruppieren. In Folge musizierte das Altomonte-Orchester unter Matthias Giesen die großen geistlichen Werke  und seit 2011 ist Rémy Ballot ständiger Dirigent des die Woche beschließenden und krönenden Symphoniekonzertes mit den o.a.  Orchestern OÖJSO und Altomonte Orchester St. Florian.  Seit 2013 wurde jeder  CD-Live-Mitschnitt mit höchsten europäischen und internationalen Plattenpreisen ausgezeichnet,  ja sogar 2016 für den „Klassik-Grammy“ (= den „Oscar“ der klassischen Musik) nominiert. Der Klang unserer „Heimorchester“ unter Rémy Ballot in der akustisch durchaus schwierigen Basilika (bis zu 6 Sekunden Nachhallzeit sind eine einzigartige Herausforderung an Orchester und Dirigent) wird in internationalen Rezensionen mit demjenigen der Wiener und Berliner Philharmoniker auf Augenhöhe verglichen.

Dem Spirit Bruckners verbunden, ist die „Revolution des klassischen Festival-Mainstreams “ ein fortwährendes Anliegen unseres Teams. Orchester und Maestro Ballot erarbeiten ungewohnte und mutige neue interpretatorische Annäherungen an die Symphonie, der musikgeschichtlich erste Brucknmer-Symphonie-Zyklus aus der Basilika St. Florian hat nunmehr seine Mitte erreicht. Die gemeinsame „Revoluzzer-„Kreativität unseres Teams samt gelebtem programattischem „Rock& Roll-Style“ (Meister Bruckner liebt dies, wir spüren es ständig, sein Mit-Uns-Sein verleiht uns Kraft und Mut …) kreiert jährlich neue Konzertformen an neuen Konzertorten im Stift und abendliche musikalische Konzertreisen durch das Stift:  die jährliche „Orgelnacht“, die Partitenreise, Jazzreisen an viele Locations. Zeitgenössische und moderne Bearbeitungen des jährlichen Zentralwerkes mit weltberühmten Gästen und  jungen hochbegabten Künstlern,  jährliche kompositorische Auftragswerke an junge moderne Künstler,  allgemein verständliche Symposien über Bruckner u.v.m. bewirken den Rest des zunächst unerwarteten, doch nunmehr unbestreitbaren Erfolges. Ein seit Jahren zur glücklichen Familie gewordenes lokales und internationales Stammpublikum (3000 Gäste, 400 Übernachtungen, 100% Auslastung der toskanisch-sommerlichen Woche) sind die wahre Belohnung unserer aus Begeisterung Liebe zu Bruckner  motivierten Anstrengungen. Aus dem „Gallischen Dorf“ ist somit laut US-Bruckner-Society und dem international richtungweisenden Londoner „Bruckner-Journal“ der jährliche  „Bruckner- Gipfel und – Mittelpunkt, das weltweit wichtigste Ereignis jedes Bruckner-Jahres“ geworden, welcher – so die schriftlichen Zeugnisse unserer (z. T. musikalisch auch sehr prominenten) Gäste  – ein richtungsweisend neues musikalisches und persönliches Bruckner-Bild kreiert habe.

Oft befragt, warum wir alle  ehrenamtlich jedes Jahr aus purer Begeisterung diese Mühen auf uns nehmen, fällt allen Mitgliedern unserer aus Fachleuten aller Sparten gemischten „Brucknertage-Combo“ meist nur eine einzige idente Antwort und somit Begründung ein: „Um Meister Bruckner Freude zu bereiten! Dies ist mehr als genug Ehre, Freude und  Lohn  für uns alle. “  Und Anton Bruckner selbst revanchiert  sich – wie es seinem Charakter entspricht –  stets redlich bei seinen  Freunden: Fünf Tage kurzes Regenwetter in zwanzig Jahren Brucknertage-Woche sind keine meteorologische  Statistik, sondern ein unverkennbares Zeichen einer uns wohlwollend schützenden Meisterhand.

©Klaus Laczika

 

Brucknertage 2016, European Brass Collective


Brucknertage 2016
Thomas Christian, Altomonte Ensemble


Brucknertage 2015, Horn-Session


Brucknertage 2016, Elias Gillesberger, Klaus Laczika


Brucknertage 2015
Anton Bruckner: 9. Symphonie


Brucknertage 2015
I. Bruckner-Orgelnacht

Brucknertage 2015, Minetti Quartett